Klarstellung zur Debatte um geplantes "Haus der Schicksale" in Budapest

Welche Rolle spielte Miklós Horthy, als Reichsverweser langjähriges Staatsoberhaupt des Königreichs Ungarn, bei der Verfolgung der Juden in der Nazizeit?

Leserbrief zum Artikel "Das leerstehende Haus der Schicksale" von Joseph Croitoru in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24. Dezember 2018:

Von vehementem Widerstand kann keine Rede sein

Die Berichte und Analysen von Joseph Croitoru sind eigentlich immer kenntnisreich und faktenorientiert. Das gilt leider nicht für diesen Text. Dass Reichsverweser Horthy bekennender und praktizierender Antisemit war, ist nicht zu bestreiten. Sehr wohl aber seine „Verstrickung in den Holocaust“. Es stimmt, dass das ungarische Regime „in Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern die schnelle Deportation von mehr als 400 000 ungarischen Juden in die Todeslager erheblich erleichterte“. Wie viele vor und sicher auch nach ihm bemängelt Croitoru, dass im „Haus des Terrors“ das Thema Holocaust-Horthy nicht aufgegriffen werde. Als seit März 1944 die deutschen Besatzer in Ungarn herrschten, war nicht mehr Horthy an der Macht, sondern die Pfeilkreuzler. Die verbrecherische Massendeportation erfolgte also erst nach Horthy. Durch diesen Fehler gerät Croitorus gesamte Darstellung des von Maria Schmidt geleiteten „Hauses des Terrors“ in eine Schieflage. Völlig falsch beschrieben ist die Kontroverse um das „Haus der Schicksale“. Als Mitglied des Kuratoriums kenne ich den Vorgang genau. Von „vehementem Widerstand“ gegen das von Maria Schmidt vorgelegte Konzept kann keine Rede sein. Weder von den Vertretern der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem noch von András Heisler, dem Vorsitzenden des Verbands jüdischer Gemeinden Ungarns (Mazsihisz). Richtig ist, dass, wohlgemerkt, alle Kuratoriumsmitglieder mit ihrer handgeschriebenen Unterschrift das Konzept billigten. Erst später distanzierten sich diese drei Beteiligten – aus mir unbekannten Gründen – von ihrer Zustimmung. Auch die Haltung der Netanjahu-Regierung hat sich gegenüber dem „Haus der Schicksale“ geändert. Anders als bei Yad Vashem wurde aus aktiver Ablehnung Zustimmung. Wie in Ungarn geht es dabei nicht nur um Geschichtspolitik, sondern auch um Tagespolitik. Unabhängig davon ist es bedauerlich, dass der sonst so präzise arbeitende Joseph Croitoru hier weder die historischen Basisfakten noch die politischen Legenden nachgeprüft hat.

Professor Dr. Michael Wolffsohn, München

Der am 02. Januar 2019 veröffentlichte Leserbrief ist hier online

Nach einem Hinweis auf Facebook ist eine versehentliche Auslassung zu ergänzen.

In Michael Wolffsohns Leserbrief an die FAZ steht: "…Als seit März 1944 die deutschen Besatzer in Ungarn herrschten, war nicht mehr Horthy an der Macht, sondern die Pfeilkreuzler."

Fakt ist, dass zweifellos seit dem 19. März 1944 Hitlers Henkersknechte "in Ungarn herrschten", allen voran der für die dortige "Endlösung" zuständige Adolf Eichmann. Gestützt auf Hitler und seine Wehrmacht übernahmen die Pfeilkreuzler tatsächlich erst im Oktober die Macht. Versehentlich hatte Michael Wolffsohn das Intermezzo der Deutschland hörigen Regierung von Döme Sztójay nicht erwähnt.

Das alles ändert nichts an seiner entscheidenden Aussage: Dass Horthy nach dem 19. März 1944 nicht mehr Ungarns Machthaber war - weil er keine Macht mehr hatte. Die Regie führte Hitler-Deutschland. Es fand leider nicht nur auch in Ungarn willige Vollstrecker. Horthy gehörte nicht zu ihnen. Freilich machte Horthy, wie von Wolffsohn erwähnt, aus seinem Antisemitismus keinen Hehl und ließ Taten folgen. Er ist die Personifizierung der Unterscheidung zwischen dem diskriminatorischen und liquidatorischen Antisemitismus. Horthy zu Hitler am 17. April 1943 im Schloss Klessheim bei Salzburg: Er habe alles getan, was man anständigerweise gegen die Juden unternehmen könne, aber ermorden oder sonstwie umbringen könne man sie ja wohl nicht.

Wie so oft, gibt es eben mehr Zwischentöne als nur schwarz oder weiß.

Einige Belege:

Ungarn
17. April 1943, Schloss Klessheim bei Salzburg
Gespräche Hitlers und Ribbentrops mit dem ungarischen Staatschef Horthy
Hitler: "Deutschland stehe heute moralisch gefestigt da, weil es die Juden entfernt habe, von denen auch die letzten innerhalb kurzer Zeit nach dem Osten verschwinden würden. (...) Wenn Deutschland heute unter den verbündeten Ländern das einzige Land sei, das innerlich völlig intakt dastehe, so sei dies nur deshalb der Fall, weil die jüdische Zersetzung unmöglich gemacht worden sei."
Horthy legt dar, daß Ungarn in dieser Frage erhebliche Schwierigkeiten habe, da es als kleines Land 200.000 Juden mehr auf seinem Gebiet habe als Deutschland vor 1933. Aus historischen Gründen sei die Rolle der Juden in Ungarn groß. Wirtschaftlich könne Ungarn die Juden nicht ersetzen. Außerdem gebe es in Ungarn eine ganze Anzahl von getauften Juden, "unter denen viele wertvolle Menschen seien. Er habe alles getan, was man anständigerweise gegen die Juden unternehmen könne, aber ermorden oder sonstwie umbringen könne man sie ja wohl nicht".

Den Beleg finden Sie hier

Horthy stated: 'He had done everything which one could decently undertake against the Jews, but one could surely not murder them or kill them in some other way.'

Beleg 1

Beleg 2

Beleg 3

Zu Horthy eine präzise, ausgewogene Lektüreempfehlung aus der Neuen Zürcher Zeitung

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