Kanzler hat auf Abbas’ Holocaust-Äußerung unprofessionell reagiert

Dass Bundeskanzler Olaf Scholz nicht unmittelbar den Holocaust-Aussagen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas widersprochen hat, ist ein Debakel.

«Jeder Profi hätte reagiert», sagte Michael Wolffsohn am 18. August 2022 im Radioprogramm von SWR Aktuell. «Aber wir sehen schon seit Monaten, dass die SPD recht schwankend Israel gegenüber ist und alle Versuche unternommen hat, die palästinensische Autonomie aufzupäppeln.»

Abbas hatte zwei Tage zuvor im Kanzleramt gesagt, Israel habe «50 Massaker», «50 Holocausts» in 50 palästinensischen Dörfern und Städten verübt. Nach diesen Äußerungen endete die Pressekonferenz. Scholz, der zuvor einen Apartheid-Vorwurf von Abbas zurückgewiesen hatte, reagierte diesmal nicht sofort. Erst am Morgen danach erklärte er: «Ich bin zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen des palästinensischen Präsidenten.» Seine zögerliche Reaktion auf den Holocaust-Vergleich bedauere er, ließ Scholz später über seinen Sprecher mitteilen.

Rauswurf von Abbas wäre nötig gewesen

Im Fernsehsender Phoenix nannte Michael Wolffsohn die zögerliche Reaktion von Scholz auf Abbas’ Holocaust-Vorwurf gegen Israel „symbolträchtig“ für die Haltung in der deutschen Gesellschaft und die deutsch-israelischen Beziehungen. "Die Tatsache, dass Abbas diese Ungeheuerlichkeiten in Deutschland, im Bundeskanzleramt von sich gegeben hat, zeigt seine Erwartungshaltung und die der Palästinenser, dass man im Deutschen Regierungssitz diese Sätze aussprechen kann. Das ist sehr bedenklich für die deutsche Außenpolitik. Ich schlage den Bogen zur Diskussion um die documenta, das zeigt doch alles, dass es in der bundesdeutschen Öffentlichkeit und nicht zuletzt und vor allem in der so genannten Kulturszene und der Wissenschaftsszene diese politischen Einstellungen gibt und das halte ich für sehr dramatisch. Insofern war die gestrige Performance symbolträchtig für den Zustand der deutschen Gesellschaft, der deutsch-israelischen und der deutsch-palästinensischen Beziehungen." Ein Rauswurf von Abbas aus dem Kanzleramt nach seiner Äußerung bei der Pressekonferenz wäre zwar eine "notwendige Geste" gewesen, löse aber nicht das Problem in der deutschen Gesellschaft.

Wie bei Orwell: Frieden sagen und Krieg meinen

Mit Politikern wie Abbas könne seiner Ansicht nach im Nahen Osten dauerhaft kein Frieden erreicht werden. "Die politischen Rahmenbedingungen sind klar, wir haben gestern einmal mehr gesehen, was ein gemäßigter palästinensischer Politiker von sich gibt und denkt. Daraus folgernd kann man nur sagen, wenn das die Friedenspartner sein sollen, dann kann es leider keinen Frieden im Nahen Osten geben", erklärte Wolffsohn bei Phoenix. Ihn erinnere das an den Roman "1984" von George Orwell. "Frieden sagen und Krieg meinen. Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, die totale Umkehrung der Begriffe und ihrer Inhalte. Frieden sagen heißt nicht, Frieden machen wollen, und wie der Frieden von Herrn Abbas aussieht, das haben wir gestern erlebt."

SWR-Aktuell-Interview vom 18. August 2022 zum Nachhören

Phoenix-Interview vom 17. August 2022 bei Youtube

Vorabmeldung von Phoenix auf Presseportal.de

 

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